Rezepturen in der Prozessautomation

Der ein oder andere der in die Automatisierungsbranche einsteigt fragt sich bestimmt was es mit diesen Rezepturen auf sich hat. Ist die WinCC Rezepturverwaltung nur für Großbäckerrein, Getränkehersteller oder Apotheken interessant? Nein, auf gar keinen Fall! Der Name lässt zwar darauf schließen, aber es lassen sich damit durchaus umfangreiche Prozessabläufe automatisieren. Wir schauen uns in diesem Artikel an einem Beispiel an, wie so ein Prozess aussehen kann. Ich beleuchte dabei auch am Beispiel WinCC Professional im TIA Portal auf was diese Rezepte im Hintergrund aufbauen. Bei dem Prozessbeispiel werde ich nicht das übliche Getränkethema bemühen.  Da können Sie sich meinen Kurs ‘WinCC Professional im TIA Portal in der Praxis’ anschauen. Dort zeige ich Ihnen u.a. wie eine WinCC Rezepturverwaltung angelegt und mit Skripten bearbeitet werden kann. Vielmehr werde ich einen Heizprozess mit den Rezepturen steuern, der das Prinzip der Rezeptursteuerung aus einem anderen Blickwinkel zeigt.

Am Ende finden Sie ein Beispielvideo aus meinem Kurs indem ich den Prozess um mehrer Ansatztanks erweitere und mithilfe flexibler Schrittketten und Rezepturzutaten eine Grundzutat herstelle.

Der Prozess

In diesem Beispiel bereiten wir eine Flüssigkeit auf, die in industriellen Prozessen benötigt wird. Dieser Prozess ist natürlich ein rein fiktiver Prozess und dient nur zur Veranschaulichung der Rezepturverwaltung. Die Flüssigkeit muss für den nächsten Bearbeitungsschritt erhitzt werden. Das Erhitzen muss dabei sehr langsam in mehreren Schritten erfolgen. Wenn die noch kalte Flüssigkeit auf die heißen Elektroerhitzer trifft, findet sofort ein anbacken der Reststoffe aus dem vorhergehenden Prozess statt und die Heizer müssten umständlich und zeitaufwändig gereinigt werden.

Für den Prozess wird eine Pumpe, ein Elektroheizer und ein Ventil welches den Durchfluss regelt benötigt. Es gibt 3 Messtellen die zur Regelung benötigt werden

  • Messstelle 1: Durchflussmessung in l/min
  • Messstelle 2: Temperatur im Heizer in °C
  • Messstelle 3: Temperatur im Tank in °C

Die Prozessflüssigkeit soll in 3 Stufen erhitzt werden:

  1. Geringe Hitze und ein langsamer Durchfluss bis die Zieltemperatur im Tankerreichtist.
  2. Mittlere Temperatur und ein geringer Durchfluss zum weiteren Erhitzen.
  3. Volle Heizleistung mit hohem Durchfluss bis Zieltemperatur erreicht ist. Der hohe Durchfluss soll Partikel die sich eventuell am Heizer festgesetzt haben wieder lösen.

Die Rezepturverwaltung

Jetzt haben wir die Information die wir benötigen und können unsere Rezepte anlegen. Dazu öffnen wir unsere Rezepturansicht im WinCC.

Wincc Rezepturverwaltung

Wincc Rezepturverwaltung

Wir legen eine Rezeptur an und verbinden die Steuervariablen mit dem Rezept. Die Steuervariable ID spricht dabei den Datensatz in der Rezeptur an und der Auftrag gibt vor ob z.B. gelesen oder geschrieben werden soll. Dazu mehr in meinem Kurs.

Jetzt können wir die Elemente in Rezeptur anlegen die wir benötigen. Da die Regelung in der SPS erfolgt müssen die Werte über Variablen in die Steuerung übergeben werden.

wincc rezepturen elemente

WinCC Rezepturen Elemente

Wir wollen in den 3 Schritten den Durchfluss, die Temperatur im Heizer und die Temperatur im Tank regeln.

wincc rezeptur datensatz

WinCC Rezeptur Datensatz

Die Datensätze entsprechen den Schritten die wir benötigen und wir speichern die Werte in den Variablen die wir an die Elemente angebunden haben.

Schritt Durchfluss Temperatur Heizer Temperatur Tank
1 20 l/min 100°C 60°C
2 30 l/min 150°C 80°C
3 60 l/min 300°C 150°C

Somit bekommt die Steuerung immer die entsprechenden Regelgrößen und kann die neuen Sollwerte anfahren. Wir müssen nur dafür sorgen, dass in unserem Programm nach Erreichen der entsprechenden Zieltemperatur im Tank der nächste Programmschritt geladen wird. Das machen wir über unsere Steuervariable ID und die Steuervariable Auftrag. Über die Steuervariablen ist es mir auch aus der HMI heraus möglich, die Werte in den Rezepten zu ändern. Somit kann ohne eine Programmanpassung vom berechtigten Bediener der Prozess an die Gegebenheiten angepasst werden.

HMI Rezepturansicht

HMI Rezepturansicht

Eine Ansicht in der HMI zeigt über das Rezepturelement die Rezeptur und die verbundenen HMI Variablen beinhalten den aktuellen Datensatz die jetzt von der Steuerung gelesen werden können.  

Was geschieht im Hintergrund?

Die Rezepturverwaltung im WinCC speichert die Datensätze und Elemente in einer SQL-Datenbank. Ab der dem TIA Portal V14 wird bei der Installation der Microsoft SQL-Server 2014 installiert. Mit der Rezepturlizenz erhalten sie lediglich die Berechtigung in der Datenbank eigene Datenbanken und Tabellen anzulegen. Sie finden in der WinCC Datenbank die Rezepturen in Form von Tabellen. Zu sehen sind auch die Elemente die wir für das Rezept angelegt haben.

Fazit

Dieses Beispiel sollte keine Programmieranleitung für eine Rezeptursteuerung werden. Vielmehr sollte es die Einsatzmöglichkeit einer Rezeptur neben einer typischen Getränkeherstellung zeigen. Es können also durchaus komplexe Programmabläufe erstellt werden und diese dann auch vom Bediener in der WinCC Runtime angepasst werden. Wenn Sie die die Programmierung einer Rezeptursteuerung interessiert, können Sie gerne in meinen Kurs reinschauen. Hier erfahren Sie auch wie Sie die entsprechende Benutzerverwaltung anlegen können, so dass nur berechtigte Personen die Werte ändern können.

Rezepturgesteuerte Schrittkette

In meinem Kurs WinCC Professional im TIA Portal in der Praxis zeige ich an einem ähnlichen Beispiel wie Sie eine rezepturgesteuerte Schrittkette aufbauen können.

Die Rezeptursteuerung wurde um den Ansatz erweitert. Ein Grundrezept kann durch 4 Grundzutaten hergestellt werden. Dabei können Sie über die Rezepturanzeige aus den WinCC HMI Objekten flexibel die Reihenfolge und Menge der Grundrezepte bestimmen, die in den Batchtank hinzu gefügt werden sollen. Ein weiterer Schritt, den Sie beliebig hinzufügen können ist der Einsatz des Mixers um die hinzugefügten Rezepturen zu vermischen.